Der andere Blick

CDU und SPD sind daran gescheitert, die AfD zu halbieren – sie müssen einen anderen Umgang mit den Rechten finden

Der Bundeskanzler gab vor Jahren das Versprechen, die rechte Konkurrenz zu «halbieren». Inzwischen ist die AfD so stark wie nie. Zeit, sich das eigene Scheitern einzugestehen.

234 Kommentare 4 min
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AfD-Chefin Alice Weidel im Bundestag. Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) und Kanzler Friedrich Merz (CDU) verfolgen ihre Worte.

AfD-Chefin Alice Weidel im Bundestag. Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) und Kanzler Friedrich Merz (CDU) verfolgen ihre Worte.

Lisi Niesner / Reuters

Sie lesen einen Auszug aus dem Newsletter «Der andere Blick am Abend», heute von Beatrice Achterberg, Redaktorin NZZ Deutschland. Abonnieren Sie den Newsletter kostenlos. Nicht in Deutschland wohnhaft? Hier profitieren.

Oft wird Friedrich Merz ein Zitat vorgehalten, in dem er angekündigt hat, die AfD zu halbieren. Das ist einigermassen unfair, denn das war im Jahr 2018 auf dem CDU-Parteitag, und damals regierte nicht Merz, sondern seine Rivalin Angela Merkel. Ihre Politik der linken Anbiederung war der Nährboden für die Rechten, die sich zunächst in einer Euro-skeptischen Professorenpartei versammelten.

Nur hat Merz den Fehler gemacht, sein kaum zu haltendes Versprechen im Bundestagswahlkampf zu wiederholen. Er sprach davon, die AfD «kleinzumachen». Auch sein Vizekanzler Lars Klingbeil und die Sozialdemokraten haben sich diesem Ziel verschrieben. Dazu kommen zahlreiche Journalisten, die ebenfalls darüber sinnieren, wie man die Rechten «kleinkriegt». Die gängigen – meist ebenso einfachen wie wirkungslosen – Rezepte bestanden lange darin, eine Brandmauer um die AfD zu errichten, sie in Gänze als «Nazi-Partei» zu dämonisieren und ihre Themen zu ignorieren, etwa das der unkontrollierten Massenmigration.

Das ist schon lange gescheitert. Die CDU machte sich unter dem Eindruck des Attentats von Aschaffenburg das Thema im Bundestagswahlkampf zu eigen. Doch von dieser überfälligen Kurskorrektur abgesehen, verfährt man mit der AfD weiter wie bisher.

Nun verschärft sich das Problem noch zusätzlich: Die Massnahmen von CDU, CSU und SPD wirken wie Dünger für den Boden, auf dem die AfD gedeiht. Im Osten des Landes floriert sie bereits, der Westen Deutschlands zieht langsam, aber sicher nach. Kürzlich lag die Rechtspartei in einer Umfrage auf Bundesebene gleichauf mit der Union bei 25 Prozent. Sie als vorübergehendes Protestphänomen zu behandeln, das man nur lang genug ignorieren muss, zeugt von Realitätsverweigerung.

Massnahmen gegen AfD bisher wirkungslos

Sinnbildlich für den verfehlten «Kampf gegen rechts» stand der laute, aber fruchtlose Protest während des ARD-Sommerinterviews mit der Parteichefin Alice Weidel. Zwar klopfte sich Philipp Ruch, Gründer einer linksaktivistischen Organisation und der Initiator der Störaktion, hinterher öffentlich selbst auf die Schulter. Aber glaubt irgendjemand im Ernst, dass auch nur ein einziger Wähler nach diesem Debakel von der AfD zu einer anderen Partei übergelaufen ist?

Für die Massnahmen von Merz und Klingbeil gilt Ähnliches. Sie sind kaum geeignet, verlorenes Wählervertrauen zurückzugewinnen. Zwar gibt es durchaus beachtliche Erfolge bei der Eindämmung illegaler Migration. Doch trotz sinkenden Asylzahlen erweckt die Regierung nicht den Eindruck, dem Problem kraftvoll genug entgegenzutreten, etwa indem sie erwerbsfähigen Ausländern das Bürgergeld streicht. Hinzu kommt, dass von dem ursprünglichen wirtschaftlichen Reformeifer der Regierung wenig übrig geblieben ist.

Während die Union zumindest theoretisch noch mit der rechten Konkurrenz umzugehen wüsste, aber in der Praxis von links ausgebremst wird, ist die SPD intellektuell entkernt: Ihre einzige Idee scheint darin zu bestehen, die AfD per Verbotsverfahren vom politischen Wettbewerb auszuschliessen.

Dass linke Aktivisten sich einem aussichtslosen «Kampf gegen rechts» verschrieben haben, ist legitim. Doch dass die Regierungsparteien darauf beharren, ohne dass eine sichtbare Verbesserung eintritt, ist töricht. Merz und Klingbeil sollten sich endlich der Realität stellen: Die AfD wird weiter Zuspruch erhalten, insbesondere dann, wenn Ausgrenzung, Rufe nach einem Verbotsverfahren und Verfassungsschutzbeobachtung die einzigen eingesetzten Mittel bleiben.

Die Einstufung der Gesamtpartei als «gesichert rechtsextremistisch» durch den deutschen Inlandsgeheimdienst kurz vor dem Ende der Amtszeit von Innenministerin Nancy Faeser wirkte übereifrig. Man darf ausserdem Zweifel haben, ob sie der juristischen Auseinandersetzung standhält.

Skandale ohne Folgen

Führte die Berichterstattung über das sogenannte Potsdamer Geheimtreffen und bundesweite Proteste gegen die AfD noch zu einem kurzfristigen Einbruch in den Umfragen, wirken sowohl Nichtwähler als auch Wähler inzwischen abgehärtet, was medial ausgelöste Empörung anbelangt. Womöglich sind sie auch deshalb vorsichtiger geworden, weil die Erzählung eines angeblichen «Geheimplans» zur Ausschaffung von Millionen von Ausländern in sich zusammenfiel.

Kein noch so schlimmer Skandal bleibt am Führungspersonal der AfD haften. Ein Verbotsverfahren ist zum jetzigen Zeitpunkt so gut wie aussichtslos; dafür müsste man der Partei nachweisen, dass sie die demokratische Grundordnung aktiv überwinden wollte. Von den bis jetzt bekannten Strategien im Umgang mit der AfD – skandalisieren, ausgrenzen, verbieten, kooperieren und koalieren – sind die ersten drei also glatt durchgefallen.

Wenn einige in der Union heute bereit sind, für taktische Mehrheiten mit der Linken zu kooperieren, und dabei eigene Unvereinbarkeitsbeschlüsse infrage stellen, wird sich die Union früher oder später auch die Frage stellen müssen, ob sie diese Logik gegenüber der AfD aufrechterhalten kann.

Ginge die CDU auf die AfD zu, hätte das für sie einen Vorteil. Sie könnte dafür Bedingungen festlegen. Beispielsweise, dass über die Mitgliedschaft in der Nato nicht verhandelt werden kann. So wird der Streit in die AfD getragen, und sie könnte ihre Opferkarte nicht mehr wirksam ausspielen.

Ein solcher Schritt wäre selbstverständlich ein grosses Risiko. Auf die AfD zuzugehen, könnte sie schliesslich auch stärken. Hinzu käme ein massiver öffentlicher Aufschrei, der der Union mit Sicherheit schaden würde und den linke Kräfte massiv anheizen würden. Denn eine solche Zusammenarbeit könnte ihnen den Weg an die Macht auf Dauer versperren.

Doch die Alternative ist gescheitert. Wenn es so weitergeht wie bisher, führt an einem vorsichtigen Schritt in Richtung AfD irgendwann kein Weg mehr vorbei. Sonst droht den etablierten Parteien die Selbstverzwergung.

234 Kommentare
Johannes Bachmann

Strauß hat die Grünen gehasst. Und er hat sie bekämpft. Aber auf das Niveau des heutigen AfD-Bashings hätte er sich nie begeben.

michael moller

In diesem Forum ist man ein "Linksgrüner", wenn man das Grundgesetz verteidigt. Grossartig!